Viele verschiedene Elemente bestimmen eine attraktive und erfolgreiche Improvisation.
Das allgemeine Merkmal der Improvisation ist der Still. Fangen wir also damit an.
Ein Stil ist die Kombination von Motiven, musikalischen Elementen (Ausdrucksweise, Rhythmusvariationen, oder Swing, Akzente, usw.) und Spielerhandlungen, die ein gesondertes Muster in voller Übereinstimmung mit sich selbst bilden. Dies bedeutet, dass das Hauptmerkmal eines beliebigen Musikstils ist, dass er erkannt und gegenüber einem anderen unterschieden werden kann. Deshalb ist der Stil nicht nur ein historisches Merkmal der Improvisation (Dixyland, Swing, Bebop, Cool etc.). Wenn wir auf die Jazzgeschichte zurückblicken, werden wir feststellen, dass die erfolgreichen Jazzmusiker, wie Louis Armstrong, Charlie Parker, Dizzy Gillespie, usw. einen persönlichen Stil besaßen, der sich zu einem der allgemeinen (anerkannten) Jazzstile entwickelt hat. Auch auf die Frage: „Gibt es einen bestimmten Stil des Jazzspielens, der Ihnen den Erfolg garantieren wird?“ muss die Antwort: „Nein!“ heißen, denn unter den Jazzmusikern, die erfolgreich wurden, gibt es eine Vielfalt von Stilen.
Während es für einen Darsteller wichtig ist seinen eigenen Stil zu entwickeln, sollte diese nicht im Alleingang geschehen. Und dieses bedeutet, niemals den Anschluss auf die Jazztradition zu verlieren.
Weil der Stil eine Kombination aller verfügbaren musikalischen und anderen Elementen ist, sollte man sich doch zuerst mit diesen Elementen beschäftigen.
Melodie, zusammen mit der Harmonie und Rhythm, ist einer der Grundelemente der Musik. Melodien können von einem kreativen (komponierenden oder improvisierenden) Musiker auf vielen verschiedenen Wegen produziert werden. Typisch, allerdings, beginnt ein melodisches Element mit einer Abfolge von wenigen Noten. Ein vollständiges Stück (als Phrase, Melodie u.Ä.) kann aus diesen kleinen thematischen Einheiten oder musikalischen Gedanken, genannt Motive (a), entwickeln werden. Somit ist das Motiv die kleinste melodische Einheit, ähnlich einem kurzen Satz in der Sprache, auf welcher Basis die musikalische Ideen und Ausdrucksweise entsteht.
Wenn sich die Notenabfolge in der gleichen Richtung bewegt, der letzte Ton wird, unabhängig der Richtung oder der Länge der Reihe, als dominierend gehört. An dieser Stelle erreicht das Motiv einen seiner Höhepunkte. Deshalb nennt man diese Töne auch die Schlüsselnoten des Motivs (b), da sie für melodischen Inhalt des Motivs und seine harmonische Zugehörigkeit meist verantwortlich sind. Aufsteigende und absteigende geradlinige Fortbewegungen aus mehreren Noten bilden das Profil oder Kontur des Motivs, wie im Bild (c) gezeigt.
Die kontinuierlichen glatten Konturlinien, die aus den Stufen der Skala, die mit der Akkordfolge verwandt ist, aufgebaut werden, werden skalaren Linien genannt. Demgegenüber, die auf den großen Intervallspringen basierten Linien nennt man eckig. Natürlich können die Linien eines bestimmten Motivs diese beiden Arten kombinieren. Außerdem müssen die Schlüsselnoten nicht immer konsonant klingen. Durch ihre Miss- oder Gleichklang führen diese zur Spannung und Entspannung. Bezogen auf die Akkordfolge, sollte auch berücksichtigt werden, dass sich die Erzeugung der Spannung mit einem Dominantakkord mehr verträgt als mit der Tonika.
Kenntnis der Elemente des Motivs ist sehr hilfreich zur Weiterbildung der musikalischen Phrase. Sowohl die rhythmische Aufteilung, die dem Originalmotiv zugrunde legt (d) als auch sein Profil (c), können für Zusammensetzung von neuen Ideen (Motivvariationen) verwendet werden, nicht zuletzt durch Anpassen des Motivs, so das mit einer anderen Akkordfolge harmonisiert. Durch diese melodische Transformation können die Originalmotive gegenüber verschiedenen Akkorden gespielt werden. Derartige Verfahrensweise ist für Jazzimprovisation sehr typisch und mag beitragen, einen spezifischen gewünschten Stilklang zu präsentieren.
Darüber hinaus, eine Darstellung von einem Jazzspieler enthält im Allgemeinen verschiedene Variationen in Höhe und Dauer von Noten. In der Musikterminologie wird irgendwelche absichtliche Abweichung vom normalen Taktpuls, Akzent und Rhythmus Synkopierung genannt. Diese provoziert die Impression von einer Beschleunigung des Tempos. Deswegen werden diese Noten in Jazz-Sprache auch als „Antreibernoten" bezeichnet. Diese ist in Jazz sehr üblich und gibt der Melodie einen mehr natürlichen Klang.
In diesem Beispiel (Dizzy Gillespie: Groovin' High) die synkopierte Gestaltung am Anfang beschleunigt die Phrase und nach dem schnellen Spiel mit den Achtelnoten, lenkt die zweite Linie durch erneute Synkopen die Aufmerksamkeit auf den Höhepunkt der Phrase, hebt ihn hervor und lässt ihn als solcher erkennen.
Dynamisch rhythmische Variationen können allein mächtige und dramatische Effekte in einem Improvisationssolo schaffen vorausgesetzt, dass die Veränderung genug ist, um durch die Zuhörer bemerkt zu werden. Ferner, laute und leise Spielvariationen oder Volumengegensatz, sind auch die wichtigen Bestandteile des Jazz-Stiles.
Grundlegend kann ein Motiv, in Analogie mit der Sprache, mit einem Satz verglichen werden. Deshalb ist es notwendig, am Ende jedes Satzes, ein entsprechendes Zeichen zu setzen. Dabei ist nicht unwesentlich, ob sich dabei um einen Hauptsatz (Punkt) oder Nebensatz (Komma) handelt. Die musikalische Interpunktion ist natürlich eine andere, die mehr dem gesprochenen als geschriebenen Satz entspricht und, somit sowohl melodisch als auch dynamisch (Akzent) ausgedruckt werden muss. Doch aus eigener Erfahrung wissen wir, dass bei einem Komma eine Spannung entsteht, während bei einem Punkt der Inhalt des Satzes abgeschlossen ist, was zur Entspannung führt. Hierfür kann man oft feststellen, dass das Problem für Anfänger nicht der Beginn der Phrase, sondern vorwiegend ein wirksames Ende. Deswegen schaut manchmal die Improvisation wie eine unendliche Reihe von Noten, ohne erkennbaren Spielgedanken aus, oder als eine Serie von neuen Starts, welche nie zu erfolgreicher Auflösung führen. Um diese zu vermeiden, sollten sich die jungen und unerfahrenen Musiker mehr auf richtige Endungen und klare Trennungen (Pausen) zwischen Spielphrasen konzentrieren. Während der Pausen werden dann auch die neuen Ideen vorgedacht („schöpferische“ Pause), bevor sie gespielt werden.
Falls die harmonische Verwandtschaft zwischen Melodie und Harmonie strickt eingehalten wird, spricht man über dem Spiel „innerhalb“. Man ist auch allerdings frei Noten, die überhaupt nicht in der Skala sind „zwischendurch“ zu benutzen (Spiel „außerhalb“), falls dabei bestimmte Regeln, die guten Klang garantieren, nicht verletzt werden. Die einfachste „Außerhalb -Figur“ ist die Umwicklung, in dem eine Zielnote eingeleitet wird von den Noten halben Ton oberhalb und halben Ton unterhalb (Spannung ↔ Entspannung).
Zum Abschluss wollen wir aufgrund der Analyse der typischen „Riffs“ der namhaften Musiker, wie sie beispielhaft für den Stil dieser Musiker dargestellt werden, die verschiedenen Variationsmöglichkeiten zeigen. Ausgewählt sind fünf Beispiele aus dem Album „Jazz Riffs für Gitarre“ (Amsco Publication 1979), die sich alle auf die II-V-I-Folge beziehen.
Die erste Phrase (George Benson) kommt am Anfang des zweiten Taktes zum Höhepunkt, der durch eine Umwicklung vor der Terznote des Akkords (F# in D7) hervorgehoben wird. Zu dem gleichen Zweck verwendet Pat Martino dagegen eine Triole als rhythmische Figur und bringt die Umwicklung erst am Ende. In der ersten Phrase von Kenny Burrell wird ein schwacher Akzent durch die kurze Rückführung erzeugt (man kann es mit einem Komma vergleichen) und die Phrase fließt weiter bis zu dem zweiten Höhepunkt am Ende, der durch einen Notensprung hervorgehoben wird. Hier wirkt sich der gleiche Akzent stärker (Tonika) aus.
Mehr variabel ist die 2. Phrase von Kenny Burrell in dem nächsten Beispiel, die durch Stakkato gespielte Synkopen zum Höhepunkt gebracht wird und dieser Phrase einen besonderen Eindruck vergibt.
In dem letzten Beispiel, von Joe Pass, wird der Höhepunkt einfach durch die veränderte Richtung angezeigt. Allerdings harmonisch gesehen entspricht die Phrase der angehobenen Akkordfolge Am9, D7+5-9, Gmaj9.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Vorgehensweise aller vier Musiker in diesen Beispielen sehr ähnlich ist und nur die verwendeten Mittel sind unterschiedlich. Der Vielfalt in der musikalischen Ausdrucksweise im Jazz wird durch gezieltes Einsetzen der „verfälschten“ Elemente wie Halbton oberhalb oder unterhalb der Akkordtöne um die Spannung (vor der Entspannung) zu verstärken, arrhythmische Verwendung von Antreibernoten, spielen „außerhalb“ und zurück zu dem aktuellen Akkord u. Ä..
Am Ende, eine einfache Improvisation zu dem berühmten Stück Jada als Beispiel , natürlich entsprechend dem Stile deses Traditionsstückes.
P. Agatonovic, 28.03.2000
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